Stufen oder Wellen?

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Landmann
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Stufen oder Wellen?

Beitrag von Landmann »

Durch meine Auseinandersetzung mit der Berechnung des Temperaments und mit der astrologischen Wetterprognose, bin ich (wieder) auf ein Thema gestoßen, das mir wichtig erscheint:

Heben wir es mit Stufen oder Sinuswellen zu tun?

Die SO in den Frühlingszeichen WID, STI und ZWI gilt in der Temperamentsberechnung (verständlicherweise) als warm und feucht, d.h. sanguinisch. (Das Problem der südlichen Hemisphäre, wo gerade Herbst wäre, wenn die SO in diesen Zeichen steht, und das der Erdgegenden, wo es gar keine vier Jahreszeiten gibt, lasse ich erst einmal weg.) Dann kommt der Sommer mit SO in KRE, LOE und JUN. Der Sommer gilt als heiß und trocken, also cholerisch. Wie wir wissen und erfahren, geht das nicht schlagartig von Frühling auf Sommer und hält auch nicht 3 Monate lang durchgehend an. In der astrologischen Temperamentsberechnung, soferne wir die SO-Saison überhaupt beachten, wird es aber so gehandhabt: SO auf 29°59' ZWI ist sanguinisch, SO auf 0°1' KRE ist cholerisch.

Oder nehmen wir die MO-Phasen: 1. Viertel von Neumond bis zum zunehmenden Halbmond sanguinisch, dann bis zum Vollmond cholerisch. Und zwar schlagartig.

Oder der Orbis eines Planeten im Aspekt:
John Frawley („Die wahre Astrologie”, artepoetica, deutsche Erstausgabe, S. 135) hat geschrieben: … dieser Umkreis der Wirksamkeit hört allerdings an der Zeichengrenze abrupt auf.
Frawley spricht vergleichsweise von Stufen: Da gibt es keinen Übergang; entweder ein Fuß steht auf der dritten oder auf der vierten Stufe. Nicht so Michael Roscher:
Michael Roscher („Kritische Grade im Horoskop”, Chiron Vlg. 2. Auflage, S. 20) hat geschrieben: Schon immer erschien mir die Vorstellung, ein Tierkreiszeichen „wirke” gleichmäßig 30° lang, um von einer Bogensekunde zur nächsten sich in ein völlig anderes mit einer quasi gegensätzlichen Wirkung zu verwandeln, unrealistisch.
Roscher sieht sozusagen Sinuskurven statt Stufen (eine komplete Welle über 2 aufeinanderfolgende Zeichen). Beide Autoren haben sehr anschauliche und überzeugende Argumente für ihre Sichtweise.

Bei den Häusern hat sich eine gewichtete Interpretation etabliert (jedenfalls in der traditionellen Astrologie): Ein angularer Planet ist ein stärkeres Anzeichen als einer in einem fallenden Haus, ein Planet an der Häuserspitze ein stärkeres als gegen Ende des selben Hauses, und die Häuserspitzen haben gleichsam sogar einen Orbis: Stichwort 5°-Regel.

Oder nehmen wir das Solar: Das Horoskop zum selben SO-Stand wie im Radix gilt bis zum nächsten Solar. Da haben wir Stufen. Nicht so bei Transiten, da haben wir wiederum gleitende Übergänge im buchstäblichen Sinn.

Ich habe einen Sohn mit SO auf 0°8'30" in der JUN, und er hat definitiv die SO nicht im LOE. (Ich war bei der Geburt dabei.) Und die überlieferte Deutung zur SO in der JUN stimmt, und die für SO im LOE nicht. Nicht einmal 1° Unterschied. Ein Punkt für Frawley. Wenn ich dagegen an Donald Trumps Temperament denke: SO im ZWI, das wäre sanguinisch. Nehme ich an, dass aber die stärkste Kraft der SO-Phase (Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche bis Sommersonnenwende) in der Mitte vorhanden ist ( SO im STI im Mai) oder vielleicht am Beginn ( SO im WID Ende März), dann würde auch bei Trumps SO auf 22°56' ZWI das Sanguinische abgenommen haben und das Cholerische zu tragen kommen.

Wie empfindet ihr das? Folgt ihr den Stufen oder der Sinuskurve oder einmal so, dann wieder anders?
„Der, der sich zu viel auf sich einbildet,
wird dazu neigen, in seinen Deutungen viele Fehler zu machen;
wer jedoch, andrerseits, zu zaghaft an die Sache herangeht,
ist für diese Wissenschaft nicht geeignet.”
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Traumprinz
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Stufen oder Wellen?

Beitrag von Traumprinz »

Das ist ein sehr interessantes Thema. :yes:

Selbst kann ich leider nichts dazu beitragen, aber ich erinnere mich, dass Karen Hamaker-Zondag einen breiten Bekanntenkreis mit Zeichengrenzen-Planeten hat. Und nach ihren Beobachtungen kommt sie zu dem Schluss, dass Zeichengrenzen abrupte Wechsel erzeugen, keine fließenden Übergänge.
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vergnuegt
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Stufen oder Wellen?

Beitrag von vergnuegt »

Hallo zusammen,

ich habe den MO auf 29°10 im STI und MA auf 0°50 in den FIS. Das passt schon irgendwie. Ist aber auch ein wenig schwer selbst einzuschätzen am eigenen Horoskop.

ROSCHER hat das gerne mit der Aufhebung der Grenzen gemacht, wenn ich mich recht entsinne, ist er auch ein Freund der letzten 1/6-Regel für Häuser (d. h. Planeten, die im letzten Sechstel eines Hauses stehen, werden automatisch dem nächsten zugerechnet).

Ich kenne vor allem die Regel: Zeichengrenzen sind fix - Häusergrenzen je nach Definition. Für mich sind sie auch fix, weil warum sollte man sich soviel Mühe mit der Berechnung eines Horoskops machen. wenn man danach mit dem Verschieben von Planeten anfängt? Man könnte dann ja auch alle Planeten um 1/6 des Hauses weiterschieben. Finde ich persönlich etwas seltsam.

vergnuegt

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Landmann
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Beitrag von Landmann »

vergnuegt hat geschrieben:
Mo 17. Mär 2025, 10:35
ich habe den MO auf 29°10 im STI und MA auf 0°50 in den FIS. Das passt schon irgendwie. Ist aber auch ein wenig schwer selbst einzuschätzen am eigenen Horoskop.
Der MO ist ohnehin wankelmütig, da wäre es schwer, aber MA in FIS oder in WID sollte ein gewaltiger Unterschied sein, das müsste man schon merken.
vergnuegt hat geschrieben:
Mo 17. Mär 2025, 10:35
ROSCHER hat das gerne mit der Aufhebung der Grenzen gemacht, wenn ich mich recht entsinne, ist er auch ein Freund der letzten 1/6-Regel für Häuser (d. h. Planeten, die im letzten Sechstel eines Hauses stehen, werden automatisch dem nächsten zugerechnet).
Das handhabe ich auch so, das ist allerdings schon in alten Zeiten so gemacht worden. Siehe Ptolemäus, 2. Jhdt. n. Chr. Wobei ich noch nicht sicher bin, ob ich generell 5° verwenden soll, oder lieber 1/6 der Gradanzahl des betreffenden Hauses.
vergnuegt hat geschrieben:
Mo 17. Mär 2025, 10:35
Ich kenne vor allem die Regel: Zeichengrenzen sind fix - Häusergrenzen je nach Definition. Für mich sind sie auch fix, weil warum sollte man sich soviel Mühe mit der Berechnung eines Horoskops machen. wenn man danach mit dem Verschieben von Planeten anfängt? Man könnte dann ja auch alle Planeten um 1/6 des Hauses weiterschieben.
Nein, dass kann man nicht, denn dann hätten sie auch eine andere Zeichenstellung. Ich meine, der Vergleich mit Orben ist sinnvoller. Häuserspitzen haben sozusagen 5° Orbis.

Es wurde früher allgemein akzeptiert, dass Häuserspitzen das stärkste Gewicht in der Beurteilung der Stärke eines Planeten haben. Da ist es für mich verständlich, dass man sagt, schon 5° vor der Spitze bzw. 1/6 der Hausgröße vorher, ist diese Hausspitze für den Planeten ausschlaggebend. Kommt mir ganz natürlich vor. Das betrifft vor allem die Achsen, die ja in allen Häusersystemen gleich definiert werden. Selbst bei Ganzzeichenhäusern wären der AC und das MC für das selbe Geburtshoroskop die selben wie bei Alcabitius, Regiomontanus oder Placidus. Die Zwischenhäuser sind weniger wichtig, und je nach verwendetem System kann ein Planet ohnehin schon im nächsten oder noch im vorigen Haus stehen.

Und doch wäre der Wechsel von Haus zu Haus abrupt, ob er nun an der Spitze oder 5° vorher stattfindet. Dann verblasst die „Wirkung” bis zum nächsten Haus.
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vergnuegt
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Beitrag von vergnuegt »

Hallo, Landmann,
Landmann hat geschrieben:
Mo 17. Mär 2025, 14:02
Das handhabe ich auch so, das ist allerdings schon in alten Zeiten so gemacht worden. Siehe Ptolemäus, 2. Jhdt. n. Chr. Wobei ich noch nicht sicher bin, ob ich generell 5° verwenden soll, oder lieber 1/6 der Gradanzahl des betreffenden Hauses.
Ich frage mich dabei, warum man das so gemacht hat. Bei den vielen Häusersystemen, die heute in jeder Software einstellbar sind, verschwimmen fast schon die Häusergrenzen. Ich könnte mir auch vorstellen (vor allem bei Geburtshoroskopen), dass man sich als Astrologe einen gewissen Interpretationsspielraum offenhalten wollte, wenn man zum König ging. Da konnte man dann Planeten bequem von H12 in H1 verschieben, von H6 in H7 und von H8 in H9, wenn es darauf ankam.

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Landmann
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Stufen oder Wellen?

Beitrag von Landmann »

Ich habe mich nicht ausführlich mit den Häusersystemen beschäftigt und verwende bis auf weiteres einmal das, das mein Lehrer verwendet, weil ich denke, dass man eine gewisse Konsistenz beibehalten sollte, um zu lernen. An diese etwas zynische Geschichte mit den Ausflüchten vor dem König möchte ich nicht glauben. Auch nicht an die, dass wir ja so viel gescheiter sind und nahezu perfekte Software haben, die genau berechnete Planetenstände und Häuserspitzen ausspuckt, während die alten Meister mit fehlerhaften Tabellen, falschen Geburtszeiten und tyrannischen Herrscher*innen zurechtkommen mussten, und daher gerne ein wenig geschummelt haben. Für diese alten Meister war die Astrologie eine heilige Kunst, und sie betrieben sie gewissenhaft und so gut sie nur konnten. Scharlatane und Geschäftemacher gab es natürlich ebenfalls immer. So wie heute. Heute allerdings fehlen mir etwas die Meister*innen, aber ich hoffe, ich lerne sie kennen, wenn ich selbst besser geworden bin. Dann kann ich sie erkennen und erst wahrhaft schätzen.

Gut, wenn wir bei der Frage bleiben, ob es Übergänge zwischen den Zeichen, Häusern, SO- und MO-Phasen gibt, oder ob der Wechsel der Qualität plötzlich erfolgt, dann erinnere ich mich noch an einen Tipp von Luís Ribeiro: Man kann so etwas am besten testen, wenn man den AC (vielleicht auch dessen Herrscher) in geeigneten Horoskopen betrachtet, denn der müsste sich deutlich zeigen.
„Der, der sich zu viel auf sich einbildet,
wird dazu neigen, in seinen Deutungen viele Fehler zu machen;
wer jedoch, andrerseits, zu zaghaft an die Sache herangeht,
ist für diese Wissenschaft nicht geeignet.”
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Nemo
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Stufen oder Wellen?

Beitrag von Nemo »

Hallo zusammen,

die Antwort ist: "Weder noch".

Wellen können wir aussondern, weil sie eine Unschärfe darstellen. Also der Inhalt wirkt schon, aber eben noch nicht in seiner vollen Stärke.

Stufen können wir ausschließen, weil dann wären die technisch berechnete Punkte isolierte, harte Faken. Das kann in einer Einheit in der Zeit, wie wir sie eben sehen, ohne die Astrologie Unsinn wäre, nicht sein.

Was ist es dann? In meinem Buch lege ich dar, auch anhand der Quantenphysik, dass es ein Prinzip der Wohltemperierung geben muss. Dieses sagt: "Teilsysteme einer Ganzheit gleichen sich an, so dass wir sie auch in isolierter Betrachtung mit einer Unschärfe versehen können/müssen.

Damit: Technisch gesehen sind es also als Behelfsmittel Orben, also Wellen, aber nur als mathematische Methode der Glättung. Diese drücken aber lediglich die Unkenntnis aus, wie relevante Systeme sich ihrer Angleichung "ineinander verhängt sind".

Natürlich ist das eine Hierarchie. Es gibt zunächst ein wichtigeres Merkmal. Dieseses gleicht sich oder muss sich angleichen einem untergeordneten Merkmal, das man sich auch als Feintuning vorstellen kann.

Als Analogon bringe ich das wohltemperierte Klavier, wonach komplexe polyphone Harmonien auf einem Klavier nur durch gezielte leichte "Falschstimmung" erreicht werden kann.

Solch eine "Falschstimmung" ist auch die Angleichung eines Monats an durchweg 30° Grad, wodurch die Tierkreiszeichen als Ersetzung der Kalendermonate entstehen. Das hat eine atemberaubende Folge: Die Graddifferenzen sind keine rechnerische Fiktion, sondern inhaltliche Stufen, wie etwa die Halbtonschritte in der Musik. Daraus leitet sich dann insbesondere ab, dass der astrologische Tag mit dem Eintritt der Sonne in ein neues Grad beginnt. Somit mach man Tageshoroskope auf exakte Grade, nicht auf Sonne ACoder Sonne MC. Letzteres ist nämlich eine Harmonisierung von Zeit und Ort. Der Kalender (Tierkreiszeichen und Grade) sind aber global auf der Erde gleich. Dennoch erfolgt damit auch eine Lokalisierung, denn der Eintritt der Sonne in einen Grad hat an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Häusergrade.

Also: Die Definition des Kalenders (heißt im Buch "Wohltemperierter Kalender") gliedert sich in Tierkreiszeichen und Tierkreisgrade. Die Differenzierung auf den Ort erfolgt nach den Häusern.

Nebenbei: Nur Placidus und ein bisschen noch Äqual, auf der Basis MC, konnte ich bestätigen.
Die anderen scheinen falsch zu sein.

VG Peter

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