Lesetipp: Selbstoptimierung: Wann ist Erholung eigentlich Arbeit geworden?

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Traumprinz
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Lesetipp: Selbstoptimierung: Wann ist Erholung eigentlich Arbeit geworden?

Beitrag von Traumprinz » Mi 4. Sep 2019, 08:59

Huch, die ZEIT ist kaputt. :eek: :lol:

Gibt es doch tatsächlich mal einen kritischen Artikel rund um Arbeitsbedingungen:

https://www.zeit.de/arbeit/2019-08/selb ... chtsamkeit

Viel Spaß (und Erkenntnis) beim Lesen
Björn
„Oft fällt das Denken schwer, indes
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GreenTara
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Lesetipp: Selbstoptimierung: Wann ist Erholung eigentlich Arbeit geworden?

Beitrag von GreenTara » Sa 7. Sep 2019, 11:23

Hallo Traumprinz :)

das ist ein erstaunlich kritischer Artikel, selbst für die Zeit, die in besseren Zeiten wesentlich kritischer war. Je nun...

Abgesehen davon, dass Konzepte wie die Resilienz wieder einmal die Verantwortung auf das Individuum verschieben - für Umstände, die es nicht verbockt hat - zeigt dieser Artikel sehr deutlich auf, was geschieht, wenn jeder Winkel des Lebens marktgerecht verwertet wird, so eben auch die Freizeit. Erholung und Gesundheit werden zu Anforderungen, was völlig paradox ist, in etwa so paradox wie "Sei Spontan!".

"Man" soll sich ja nicht für eigene Zwecke erholen oder möglichst gesund sein, sondern für den Zweck der Erhaltung einer möglichst hohen Arbeitsleistung. Wer das durchschaut, hat leider nicht so gute Karten. Als in meinem ehemaligen Betrieb für die Arbeitnehmer zwar kostenfrei, aber außerhalb der Arbeitszeit ein Yoga-Kurs angeboten wurde, habe ich dankend abgelehnt. "Betriebliches Gesundheitsmanagement" ist eben nur eine weitere Knute, die sich den Anschein von "Mitarbeiterorientierung" gibt. Leider fallen viele Arbeitnehmer auf diese pervertierte Form der "Fürsorgepflicht" eines Arbeitgebers herein. Die "Fürsorgepflicht" wird besonders gern herausgekramt, wenn es für Arbeitnehmer Kröten zu schlucken gibt: So werden beispielsweise Verlagerungen der Arbeitszeit auf mehr Wochentage als zuvor damit begründet, das sei ja viel gesünder.

Die Autorin bringt es sehr gut auf den Punkt:
Durch Achtsamkeitsübungen die Grenze zwischen Arbeit und Nichtarbeit eigenverantwortlich zu ziehen, ist nicht nur persönlich von Vorteil, sondern auch Teil der Anforderungen im Job. Die Freizeit soll als Erholung von der Arbeit effektiv genutzt werden. In Vorstellungsgesprächen wird beispielsweise oftmals die Frage gestellt: "Was tun Sie denn für Ihre eigene Erholung?"
Man sollte denjenigen, die in aller Ernsthaftigkeit Fragen wie diese stellen, den "sticky finger" zeigen.

Leider mischen viele Astrologen bei diesem bösen Spiel mit. Zwar wird es in der Beratung nicht zwingend um die Erhaltung der Arbeitskraft gehen, dafür aber nicht selten um Selbstoptimierung. Klienten aus dem Eso-Bereich sind schon dermaßen gut dressiert, dass sie bei Problemen gleich fragen: "Was darf ich daraus lernen?" Oder: "Wie kann ich Planeten XY erlösen?"

Kaum jemand kann sich vorstellen, er sei gut, wie er ist. An allem muss gearbeitet und herumgerupft werden. Erholsam ist auch das garantiert nicht. Vor allem: Alles, was nicht der eigene Lösungsweg ist, ist wenig wirksam. Insofern kann man sich als Berater die Mühe, in der Beratung Lösungen anzubieten bzw. aus einer Konstellation etwas "Konstruktives" herauszudeuten, eh sparen.

Schöne Grüße
Rita
»Ist es nicht zynisch, wenn sich führende Politiker ›Sorgen machen‹ wegen der ›steigenden Zahlen‹? Wie wäre es, wenn sie sich zur Abwechslung mal um Menschen sorgen würden?«

M. Burchardt

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